1. Systemstandard Digital Audio Broadcasting (Digital Radio) Digital Audio Broadcasting (DAB) ist ein innovatives und universelles digitales Rundfunksystem (auch als Digital Radio bezeichnet), das mittelfristig den seit Ende der 40er Jahre bestehenden UKW/FM-Rundfunk ersetzen soll. Die Entwicklung und Erprobung des Systems erfolgte in den 90er Jahren im Rahmen eines europäischen Forschungsprojektes EUREKA 147, unter aktiver Beteiligung namhafter Konzerne der Kommunikationsbranche, öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten sowie Instituten und Hochschulen. Die ursprünglich nur für die Verwendung im europäischen Raum vorgesehene Lösung, die zwischenzeitlich zu einer Systemfamilie weiterentwickelt wurde (DAB, DABplus, DMB), wird unterdessen praktisch weltweit akzeptiert, mit Ausnahme von USA und Japan.
Parallel mit der Entwicklung erfolgte die Standardisierung aller wichtigen System- komponenten und Anwendungen, die derzeit in mehr als 50 internationalen Standards verankert sind, wie z. B. im sog. DAB Systemstandard [ETS], siehe auch [BUCH7]. Diese Standards umfassen u. a. folgende Systemaspekte
- Quellencodierung (MPEG-Audiocodecs)
- Kanalcodierung und Modulationsverfahren (OFDM)
- Programmverteilung, Frequenzzuweisungen und Ausstrahlung
- Audioservices
- Programmbegleitende Dienste (Datendienste, siehe auch weiter unten)
Die Qualität der verwendeten Audiocodierungssysteme nach MPEG 1/2 Layer 2 sowie MPEG4 wurde in aufwendigen internationalen Vergleichen unter Anwendung der nach ITU-R [BS.1116] standardisierten Testmethoden überprüft, siehe auch [50].
Obwohl deutsche Institutionen aktiv und in vorderster Reihe an Entwicklung und Standardisierung von DAB beteiligt waren, und in allen deutschen Bundesländern mit hohem Aufwand an Steuermitteln eine mehr oder weniger flächendeckende Erstversorgung für den DAB-Empfang mehrerer Programme installiert wurde, haben es Rundfunk wie auch Industrie und Handel bisher nicht geschafft, dem System in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen - im Gegensatz z. B. zu Großbritannien oder den skandinavischen Ländern. Zwischenzeitlich gab es sogar Stimmen in der Rundfunklandschaft, die das System als nicht mehr zeitgemäß bezeichnen und die Einführung eines anderen Systems (wie z. B. IBOC oder DVB-T) favorisieren. Eie solche Diskussion kann man nur als Skandal und absolut praxis- fremden technischen Nonsens einstufen. Seitens der öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten wie auch des privaten Rundfunksektors wird nunmehr das Jahr 2016 als Einführungszeitpunkt propagiert, nachdem der Start bereits mehrmals um Jahre verschoben worden war.
2. Dynamic Range Control (DRC) für DAB Neben vielen anderen zusätzlichen Datendiensten (Programme associated data, PAD) bietet der Digitale Rundfunk (DAB) erstmalig die Möglichkeit einer Anpassung des Dynamikbereiches eines Rundfunkprogramms an die individuellen Bedürfnisse eines jeden Hörers.
[Bild 2.3] zeigt im linken Teil Beispiele für die Programmdynamik verschiedener Aufzeichnungsmedien bzw. Rundfunksysteme, während auf der rechten Seite die unter verschiedenen Umfeldbedingungen nutzbare Wiedergabedynamik angedeutet ist. Gemäß DAB-Standard [ETS] kann mittels des sog. Dynamic Range Control Systems (DRC) durch eine kontinuierlichen Übertragung von Dynamik-Steuerdaten, die in den DAB-Bitstrom eingebettet sind, eine individuelle Dynamikanpassung auf der Empfängerseite erreicht werden.
[Bild 7.1] zeigt ein (vereinfachtes) Wirkschaltbild des DRC-Systems für DAB. Auf der Sendeseite wird aus dem laufenden Programmsignal ein kontinuierliches Steuer- signal generiert, das den zeitlichen Verlauf der zur Erzielung einer Kompressions- wirkung anzuwendenden Verstärkungsänderung im Tonkanal des Empfängers beschreibt. Diese Steuerdaten werden zusammen mit den (unkomprimierten) Audiodaten übertragen.
Im Empfänger wird das Steuersignal aus den im PAD-Kanal übertragenen Daten zurück gewonnen und dort zur dynamischen Steuerung der Verstärkung, d. h. zur Kompression oder Expansion des empfangenen Programmsignals benutzt. Dabei kann der Hörer den gewünschten Grad der Kompression entsprechend seiner Hörsituation individuell einstellen - oder auch auf die Nutzung dieser Zusatzfunktion ganz verzichten.
Details des unter Federführung des Autors von Eureka147 standardisierten DRC-Systems für DAB siehe [43], [44] sowie [BPN007].
Vergleichbare (jedoch nicht ohne weiteres kompatible) DRC-Lösungen sind auch in anderen Audiocodecs implementiert, so bei DOLBY DIGITAL® wie auch in modernen Codiersystemen der MPEG-Familie, wie AAC. Letztere sind auch für die Anwendung bei Mehrkanalsignalen ausgelegt, siehe auch Vorschläge hierzu in [52].
3. Rundfunk für Hörgeschädigte (Hearing impaired)
Der Anteil von Menschen mit Hörschäden (Hearing impaired) steigt dramatisch, insbesondere in der jüngeren Generation - u. a. wegen ihres exzessiven Konsums an überlauter Musik. Angesichts dieser Entwicklung sucht die ITU-R seit langem nach geeigneten Lösungen für Rundfunkprogramme mit einer höheren Sprach- verständlichkeit für Hörgeschädigte. Neue digitale Rundfunksysteme wie DAB, DMB oder DVB bieten nun Möglichkeiten für die Übertragung zusätzlicher Programm- Features für Hör- und Sehgeschädigte.
Eine vom Autor vorgeschlagene Lösung sieht vor, auf der Studioseite ein separates, vorbearbeitetes Sprachprogramm bzw. Kommentar herzustellen und parallel zu dem ansonsten unveränderten Hauptprogramm zu übertragen. Die Vorbearbeitung dieses Sprachsignals betrifft solche Parameter wie Frequenzbereich, Geräusch- abstand und/oder Dynamikbereich, die für viele verbreitete Hörschädigungen relevant sein können. Einige Funktionen, wie die oben beschriebene Dynamik- steuerung (Dynamic Range Control, DRC), Sprache-/Musik-Steuerung (M/S-Flag) sowie die Übertragung mehrerer Audio-Services (Multi programme service) sind für DAB und DVB bereits standardisiert.
Im Empfänger können dann solche zusätzlich übertragenen Dienste mit geringem Aufwand an die persönlichen Bedürfnisse des hörgeschädigten Rundfunk- teilnehmers angepasst werden, unabhängig von eventuell benutzten individuellen Hörgeräten. Im Falle einer Übertragung auf der Basis von MPEG-4 basierten Audio- Codecs (AAC bei DABplus) stehen weitere Möglichkeiten, wie die Steuerung der Wiedergabegeschwindigkeit oder auch eine Tonhöhensteuerung zur Verfügung.
Bild 7.2 zeigt schematisch die prinzipiellen Funktionen einer solchen Lösung. Details sind in [51], [57] sowie in [BUCH7] bzw. [BUCH8] dargestellt.
Unterdessen gibt es ein EU-finanziertes Projekt für "barrierefreies" Fernsehen unter dem Titel DTV4ALL (Digital Television for All), das sich u.a. auf (automatisierte) Untertitelung sowie die Einblendung von Gebärden-Sprechern in das laufende Fernsehbild konzentriert.
Eine Präsentation neuerer Vorschläge für geeignete Verfahren zur
Unterstützung der Wiedergabe von Rundfunk- und Fernsehsendungen für Hörgeschädigte
findet sich in [57]. Weitere Einzelheiten sind im Zusammenhang mit diversen aktuellen Lösungen zur sog. barrierefreien Kommunikation in [BUCH10], Kap.17, sowie [58] zu finden.
4. Das Buch zu DAB
Systemgrundlagen und viele Anwendungen von DAB sind ausführlich in dem englisch- sprachigen Fachbuch
„Digital Audio Broadcasting - Principles & Applications of DAB, DAB+, and DMB“ [BUCH8]
beschrieben (Titel der vorangegangenen Auflagen: Digital Audio Broadcasting - Principles & Applications of Digital Radio), derzeit das einzige umfassende technische Fachbuch zu DAB. Das vom Autor der WebSite gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas Lauterbach in Zusammenarbeit mit fast 20 führenden Experten der Branche in dritter Auflage herausgegebene Werk beschreibt ausführlich die grundlegenden Konzepte von DAB, DAB+ und DMB, einschließlich Audio-codierung, programmbegleitenden Daten (PAD) und Modulations-System (OFDM), sowie Multiplex Management (STI) und Datenübertragungsprotokoll (MOT), bis hin zu neuen Infrastrukturanforderungen im Studio. Mehr Informationen über das von manchen Nutzrn liebevoll als "DAB bible" bezeichnete Fachbuch siehe auch unter >>Das Buch zu DAB>>.
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