1. Psychoakustik und subjektive Qualitätsbewertung Ziel der Audiotechnologie ist es, Schallinformationen unter Benutzung technischer Medien (Tonsignal, Tonkanal, Informationsträger) vom Entstehungsort zum Wiedergabeort zu transportieren. Voraussetzung für eine optimale Qualität und Effektivität ist hierbei u. a. die Beachtung der Gesetze und Prinzipien der Psychoakustik (Lehre von der Wahrnehmung und Verarbeitung von Schallereignissen durch das menschliche Gehör), die vorwiegend durch subjektiv-akustische Versuche ermittelt werden müssen, siehe z. B. [1] oder [2].
Auch die Qualität eines übertragenen und mittels Lautsprecher (oder Kopfhörer) wiedergegebenen Hörereignisses kann in der Regel nur mittels subjektiver akustischer Beurteilung ermittelt werden. Hierzu ist die Definition geeigneter subjektiver Bewertungs-parameter und -kriterien sowie entsprechender statistischer Auswertungsverfahren erforderlich. Ursprünglich für die monofone Übertragung beschriebene Methoden [STEI59] wurden für die Zweikanal-Stereofonie weiterentwickelt [23] und später auch für mehrkanalige Wiedergabe angepasst. Die hierbei definierten Methoden wurden unterdessen in verschiedene internationale Standards aufgenommen (OIRT [E91], EBU [R90], ITU-R [BS.1116] und [BS.1284], sowie [SSF1]), siehe auch [34], [41], [53]. Sie wurden bereits bei diversen internationalen Tests angewandt, wie z.B. in [46] und [54] dokumentiert.
[Tabelle 1.1] (zur Ansicht bitte anklicken!) zeigt die für Qualitätsbewertungen vorgeschlagenen Bewertungsparameter (in den genannten Standards sind sie z. T. in English enthalten).
Neben der Bewertung der Qualität von aufgezeichneten bzw. übertragenen Schallereignissen kann die Testmethodik auch für die subjektive Beurteilung der akustischen Bedingungen in Mehrzweck- oder Konzertsälen eingesetzt werden [E68], [23].
2. Qualitätsparameter des Tonkanals
In der analogen wie in der digitalen Welt stellen Kontrolle und Sicherung der Tonqualität eine wichtige Aufgabe dar, sowohl im Rundfunkbereich wie auch in der professionellen Audiotechnik. Eine optimale Überwachung der Qualität von Tonsignalen und ihren Parametern ist nur im geeigneten Zusammenwirken von subjektiv- akustischer, visueller (instrumenteller) und ggf. messtechnischer Kontrolle möglich.
Die Einhaltung anspruchsvoller Werte für die „klassischen“ Tonkanalparameter wie Störabstand, Frequenzgang oder nichtlineare Verzerrungen stellt im Zeitalter der digitalen Tonsignalübertragung i. allg. kein besonderes Problem mehr dar – dies war noch vor weniger als 15 Jahren durchaus nicht selbstverständlich, wo oft um jedes dB oder % technisch oder auch ökonomisch gerungen werden musste. Trotzdem sollte man auch heute die anerkannten Grenzen für die grundlegende Qualitätsparameter des Tonkanals nicht aus den Augen verlieren, die sich - unabhängig von der Art der Übertragung - noch immer auf die resultierende Qualität des analogen Tonsignals am Ende der Kette beziehen.
Subjektive Grenzwerte Die sog. subjektiven Grenzwerte (Subjective threshold values) für Tonkanalparameter stellen die mittels subjektiv-statistischer Untersuchungen unter meist idealen Hörbedingungen ermittelten Wahrnehmbarkeitsschwellen bzw. Unterschiedsschwellen dar, meist bezogen auf die 50%-Aussage einer Gruppe geübter Testpersonen. Die in [Tabelle 1.2] angegebenen Grenzwerte basieren auf Testergebnissen, wie sie in der Literatur (z. B. [8]) sowie in internationalen Standards wie [BS.644] veröffentlicht wurden. Sie stellen letztlich auch die Richtschnur für die sog. anzustrebenden Zielwerte am Ende des gesamten Tonübertragungskanals bis zum Hörer dar, natürlich unter Berücksichtigung aktuell geltender technischer und wirtschaftlicher Grenzen.
Anzustrebende Zielwerte am Ende der Kette
Anzustrebende Zielwerte (Target values for the reference transmission chain) sind realistische Werte bzw. Toleranzen für Tonkanalparameter am Ende des Tonüber- tragungskanals. [Tabelle 1.2] zeigt die am Ausgang eines Kontrollempfängers nach der hochfrequenten Ausstrahlung geltenden sog. realistischen Zielwerte gemäß [BS.644], die einen international abgestimmten Kompromiss zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Standards (Jahr 2000) darstellen, wobei hier noch von gemischten Übertragungstechniken (analog+digital) ausgegangen werden musste. Die in der Tabelle genannten Werte und Toleranzen dürfen von jedem Abschnitt bzw. Gerät innerhalb des Kanals nur zu einem Bruchteil in Anspruch genommen werden, da sie sich im Verlaufe des Übertragungsweges kumulativ addieren können. Für den Ausgang des Studios gelten demnach deutlich schärfere Bedingungen.
Störeinflüsse des digitalen Audiosignals
Eine ausführliche Liste von Parametern zur differenzierten Beschreibung von Störungen oder Veränderungen, die durch digitale Signalverarbeitung verursacht werden können [Tabelle 1.3] - siehe auch [BS.1284] - wird u. a. bei der Auswahl von kritischen Testbeispielen für Codec-Tests benutzt. Sie sind z. T. auch zur Analyse erkannter Störungen bei beliebigen digitalen Übertragungssystemen verwendbar. .
Hierarchie der Tonübertragungssysteme
Originäres Ziel der Tonübertragung ist die Reproduktion eines am Aufnahme- bzw. Übertragungsort aufgenommenen Original-Schallereignisses an einem beliebigen, örtlich getrennten Wiedergabeort, um dort einen möglichst original-ähnlichen Höreindruck zu erzielen [BUCH1].
Bei raumbezogener Übertragung (Lautsprecherwiedergabe) ist die Übermittlung der örtlichen Beziehung zwischen Schallquelle und Hörer abhängig von der Position des Hörers im Schallfeld - entsprechend der natürlichen Hörerfahrung. Bei kopfbezogener Übertragung (Aufnahme mittels Kopfnachbildung = Kunstkopf, Wiedergabe mittels Kopfhörer) ist die örtliche Beziehung Schallquelle-Hörer unabhängig vom Hörort, d. h. das Schallbild „wandert“ mit dem Hörer mit [BUCH2].
Die in der Anfangszeit der Rundfunk- und Audiotechnik vorherrschende monofone Übertragung wurde unterdessen weitgehend durch die Zweikanal-Stereofonie ersetzt, die derzeit als Stand der Technik bei Rundfunk, Fernsehen und HiFi-Technik anzusehen ist. Ausgehend von der Einführung (analoger) Surround-Sound-Systeme in der Film- und Fernsehtontechnik (insbesondere Dolby Surround), die u. a. den Weg für mehrkanalige Lautsprecheranordnungen im Heimbereich bereitet haben, setzt sich auch die mehrkanalige Tonübertragung - insbesondere im weltweit standardisierten 5.1-Format - zunehmend durch. Die Anwendung von mehrkanalfähigen Audio- Codiersystemen (MPEG-2 bzw.-4, Dolby-Digital, DTS) sowie die Einführung der DVD (Digital Versatile Disc) als universelles digitales Speichermedium für den Heimbereich bieten die technischen Voraussetzungen für eine effektive Anwendung mehrkanaliger Tonsysteme in Fernsehen und Hörfunk. [Bild 1.1a] zeigt schematisch die Kanal- strukturen der oben genannten zweikanaligen Tonübertragungsverfahren, [Bild 1.1b] eine entsprechende Auswahl an Mehrkanalverfahren..
Um die weitere Verbreitung der Mehrkanaltechnik nicht zu behindern, sollte darauf geachtet werden, dass der bekannte 5-Kanal-Standard (bezeichnet als 3/2 bzw. 5.1, siehe [BS.775]), der sich sowohl bei Produktion, Aufzeichnung und Wiedergabe unterdessen weltweit durchgesetzt hat, nicht ständig durch „neue“ Formate wie 6/2, 7.1, etc. "aufgeweicht" und in Frage gestellt wird.
Die Einhaltung der Bedingungen für die Abwärtskompatibilität der verschiedenen Übertragungsverfahren ist eine wichtige Voraussetzung für deren Akzeptanz, da die Übergangszeiträume teilweise zehn und mehr Jahre betragen können, während der oft mehrere System parallel konsumiert werden.
Signalformate
In der Tontechnik sind folgende Bezeichnungen für die einzelnen Signale bzw. Kanäle üblich (Zuordnung aus Sicht des Hörers gesehen, s. auch [Bild 1.2]):
Signal/Kanal | Information |
M | monofone Information
|
A bzw. L
| Information für linken Front-Kanal (Left) |
B bzw. R
| Information für rechten Front-Kanal (Right) |
C | Information für mittleren Front-Kanal (Center) |
LS | Information für linken Surround-Kanal (Left surround) |
RS | Information für rechten Surround-Kanal (Right surround) |
LFE | Tiefton- bzw. Effektkanal (Low Frequency Enhanced) |
Gelegentlich ist es zweckmäßig, mehrkanalige Signale in matrizierter Form zu übertragen (Matrizierung = lineare Kombination mehrerer Signale ). Für Zweikanalsignale gelten folgende Matrizierungsgleichungen
Summensignal M = A+B (M ist ein vollwertiges, d. h. kompatibles Monosignal)
Differenzsignal S = A-B (beachte die Vorzeichen bei der Differenzbildung!)
In [12] sowie [BUCH2] sind detaillierte Bedingungen für die Kompatibilität von Zweikanalsignalen dargestellt.
Für das Mehrkanal-Tonformat 3/2 sind folgende Matrizierungsgleichungen zur Bildung der kompatiblen Zweikanal-Signale L 0 und R 0 festgelegt [BS.775]:
L 0 = L + 0.707*C + y*LS
R 0 = R + 0.707*C + y*RS, wobei y zu 0.707, 0.5 oder Null gewählt werden kann
Im Rahmen der internationalen Standardisierung sind die gebräuchlichen Tonformate und deren Wiedergabeanordnungen in ein einheitliches hierarchisches System zusammengefasst, das Voraussetzungen für ihre Abwärtskompatibilität und damit für eine flexible Anwendung schafft, siehe [Bild 1.2].
4. Handbuch der Tonstudiotechnik - 8. Aufl. (2014) NEU
Ein großer Teil des notwendigen Grundlagenwissens und viele aktuelle Erfahrungen der Audiotechnologie wurden in einer grundlegend bearbeiteten und erweiterten Neuauflage des seit Jahrzehnten bekannten Standardwerkes Handbuch der Tonstudiotechnik aufgenommen.
Das Handbuch der Tonstudiotechnik, seit seiner Erstausgabe vor mehr als 40 Jahren ein Klassiker unter den Fachbüchern der professionellen Audiotechnik,
liegt seit Ende 2013 nun in einer völlig überarbeiteten und
erweiterten 8. Auflage vor, die insbesondere auch der aktuellen Situation der nahezu flächendeckenden Einführung der digitalen Tontechnik sowie anderen aktuellen Entwicklungen Rechnung trägt.
Die Neubearbeitung der 19 Kapitel des Handbuches wurde von den Herausgebern Michael Dickreiter, Volker Dittel, Wolfgang Hoeg und Martin Wöhr vorgenommen, in
Zusammenarbeit mit mehr als 30 Fachautoren aus Forschung, Lehre, Industrie und Praxis.
Weitere bibliografische und inhaltliche Detailinformationen sind >>hier >> zu finden.
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